Projektreihe „Out of Context “ 2002
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POETNIKS (alfred de vigny "chatterton" 1835)

EINE TRAUERFEIER FÜR DAS EINKAUFS- UND GEWERBEGEBIET SÜSSENBORN.
DAS VORGEZOGENE ENDE ALS ROMANTISCHE KORREKTUR DER GEGENWART.

Die neue Produktion von THEATERHAUS WEIMAR "POETNIKS" wirft einen Blick auf die neuere ostdeutsche Geschichte. Als Kulisse dafür diente den Beteiligten ein Einkaufs- und Gerwerbegebiet vor den Toren der Klassikerstadt Weimar.

Keiner will sie, alle fahren hin: Das Einkaufs- und Gewerbegebiet Süssenborn gehört zu der Unzahl von Konsum- und Versorgungstempeln, die überall im Osten Deutschlands in den letzten Jahren in phänomenal nichtssagender Bau- und Wirkungsweise entstanden sind. Sie gehören zu den fraglosen Tatsachen der deutschen Gegenwart und so haben die Beteiligten des Projekts "POETNIKS" die Einkaufszentren kurzerhand zur kulturellen Errungenschaft der modernen Lebensweise erklärt: Hier zeigt sich unsere Kultur - also nichts wie hin!

Mehr als eine Woche haben die Beteiligten des Projekts in dem einzigen als Wohnort ausgewiesenen Platz des Einkaufszentrums Süssenborn, dem MUSTERHAUS, nach Inspirationen gesucht, Videomaterial produziert und an der Bühnenpräsentation gearbeitet.
Sie haben sich "POETNIKS" (eine hybride Wortschöpfung aus Poet und Beatnik) genannt, ein Hinweis auf ihren Wunsch, die Geschichte des Einkaufsgebiets Süssenborn zu erdichten und darin eine künstlerische
Lebensweise zu entdecken.
Sie fanden Fachmärkte, Musterhausausstellungen, Parkplätze und Zufahrtswege als ortloses Modell einer Stadt, die keine ist, ein Provisoriun für eine Welt, die nur aus kaufbereiten Angeboten besteht, das Einkaufszentrum als Puzzleteil des Paradies' : Kauf mich! In alle Ewigkeit.
Sie erdichteten die Geschichte des Einkaufszentrums Süssenborn als amerikanischen Eroberungsmythos: "Zuerst gab es hier nur ein Zelt inmitten der Prärie, und später dann einen Plan. Laßt uns eine Stadt gründen! Und wenn es eine Einkaufsstadt sein müßte."

Und weil die "POETNIKS" ganze Arbeit leisten wollten, haben sie das Ende der Einkaufsstadt Süssenborn gleich mitgedichtet. So stehen sie jetzt auf der verspiegelten Bühne und entlassen das Einkaufszentrum Süssenborn in die Ewigkeit des Gewesenen. Das vorgezogene Ende als die Korrektur der Gegenwart. Sie halten Abschiedsreden, in denen der Traum von einer neuen Stadt noch einmal auflebt, sie singen traurige Lieder und erinnern sich an die Zeit, als alles begann im Weimarer Land.

In einem Videofilm, gedreht im MUSTERHAUS in Süssenborn, erzählen sie später die Geschichte weiter als die Geschichte eines romantischen Scheiterns und zeigen so nicht nur das Ende eines Konsumtraums, sondern auch ihr eigenes als das Ende der Illusionen.
Inspiriert wurde der Videofilm von dem romantischen Drama "Chatterton" des französischen Dichters Alfred de Vigny aus dem Jahr 1835, das nun gleichzeitig erstmals in Deutschland aufgeführt wird.

Der junge Poet Thomas Chatterton lebt im Haus des jungen Unternehmers John Bell und ist verliebt in dessen junge und anmutige Frau. Auf Ideen, Phantasie und den eigenen Willen zu setzen, das war der Traum der drei miteinander verstrickten Personen. Am Ende müssen sie einsehen, daß sie nichts gewonnen haben und daß sich nichts gewinnen läßt. Der erfolgreiche Unternehmer hat seine Frau an den romantischen Poeten verloren, der aber ist tot. Keiner der drei kann sein Eigenes verwirklichen.

"POETNIKS" kommt zweimal zum gleichen Ende. Tot ist tot.



Premiere:

16.05.2002 Podewil, Berlin : Festival "Reich und Berühmt"

16.08.2002 Neue Weimarhalle, Weimar : Kunstfest Weimar

07.11.2002 Forum Freises Theater, Düsseldorf


Buch und Inszenierung: Janec Müller

Mit: Susann Hempel, Olaf Helbing, Peter Schütz und Ferry Häntsch, Fabian Frauendorf

Video: Michael Vögtlin

Übersetzung des Dramas: Dr. Klaus Gronau

 


Eine Produktion von THEATERHAUS WEIMAR im Rahmen der Projektreihe OUT OF CONTEXT 2002
Gefördert durch die Stiftung Kulturfonds, das Thüringer Kunstministerium, die Stadt Weimar
Unterstützt durch die Bauhaus - Universität Weimar

In Koproduktion mit
FORUM FREIES THEATER Düsseldorf im Rahmen von "City-Mapping" / Festival "Theater der Welt"
PODEWIL - Zentrum für aktuelle Künste - Berlin
Europäische Werkstatt für Kunst & Kultur Hellerau e.V.